Leben ermöglichen, Leben verbessern – eine tiefe Sehnsucht für Tier und Mensch

Nachdem ich bereits im Frühjahr 2019 gemeinsam mit einer Freundin einen Monat lang die Streunerhilfe als Volunteer kennengelernt hatte, stand mein Entschluss fest, dass ich so rasch wie möglich eine längere Zeit hier mitarbeiten will. Ende Oktober 2019 begann meine 8-monatigen Zeit als Freiwillige bei der Streunerhilfe in Menfi.

 

Als Tierschützerin erlebe ich selbstverständlich nicht nur schöne Momente. Natürlich sind es die positiven Bilder – ihnen zu helfen, mit ihnen gemeinsam zu leben und ihnen ein gutes Dasein zu ermöglichen –, die mich antreiben. Dann aber mit verhungernden Hunden, ausgesetzten Welpen oder vergifteten Tieren konfrontiert zu werden, wünsche ich mir als Tierschützerin nicht. Aber gerade als Tierschützerin kann ich in solchen Situationen nicht wegschauen. Diese Missstände in einer Gemeinschaft bewusst zu bekämpfen, deren Existenz nicht zu leugnen und aktiv etwas dagegen zu tun: Das sind die Ziele, die die Menschen, die bei Streunerhilfe arbeiten, verbindet.

 

Meine Aufgaben bei der Streunerhilfe Sizilien waren sehr vielfältig. Neben der Grundversorgung der Hunde durfte ich bei Tierarztbesuchen dabei sein und mithelfen, ich konnte den Hundetrainer assistieren und mit Hunden spielen, sie pflegen, sozialisieren und vieles mehr.

 

Der 17. Jänner brachte mir eine der schönsten Aufgaben im Zuge meiner Arbeit bei der Streunerhilfe, die wohl noch bedeutsamer werden sollte, als ich es damals ahnen konnte. Ich fand auf offener Straße vier kleine Welpen, die in einer Kiste ausgesetzt worden waren. Umgehend bot mir die Streunerhilfe ihre Unterstützung an und ich erklärte mich bereit die Kleinen bei mir großzuziehen.

Das war wohl das Beste, was mir im Hinblick auf die darauffolgende Zeit passieren konnte. Denn als im März die ersten Fälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus auch in Sizilien auftraten, wurde uns langsam ganz mulmig im Bauch. Ende März hieß es dann, wir dürfen unser Zuhause nur noch unter bestimmten Umständen verlassen: Einkäufe, Arztbesuch, Apotheke. Dies hatte zur Folge, dass ich die nächsten zwei Monate nicht mehr als Volunteer ins Refugio durfte. Da ich in Sizilien zu diesem Zeitpunkt allein in einer Wohnung lebte, war die Ausgangssperre für mich eine große Herausforderung. Fast sieben Wochen hatte ich kaum Kontakt zu anderen Menschen und sass alleine in der Wohnung. Zum Glück aber eben nicht ganz alleine: meine zwei Hunde und die durch das Schicksal zu mir gekommen vier Welpen haben mir in dieser Zeit unglaublich geholfen.

 

Ich glaube, wir alle wissen jetzt, wie wichtig es war, in der Quarantänezeit einen geregelten Alltag einzuhalten, um die schwierige Situation meistern zu können. Dadurch, dass die Welpen einen Rhythmus gewohnt waren, wann es Essen gibt, wann es raus geht, wann wir spielen etc., musste ich diesen einhalten. Diese Verpflichtung zur Stabilität hat auch mich durch diese Zeit getragen und mir sehr geholfen. Natürlich löste das Beobachten von heranwachsenden Welpen Glücksgefühle in mir aus und ich konnte diese schwierige Zeit mit ihnen gut überstehen. 

Diese wunderbaren Erlebnisse mit den Hunden, die mein Quarantäneschicksal mit mir teilten, waren nicht die einzige positive Erfahrung in Sizilien: Die menschliche Solidarität, die ich in dieser Zeit von der Gemeinschaft rund um den Verein Streunerhilfe erlebt habe, berührt mich sehr. Zu sehen und zu spüren, mit welcher Haltung ich von den Menschen in dieser Zeit unterstützt und begleitet wurde, ist ein Erlebnis, das mein Leben für immer prägen wird. Als ich durch die Corona-Situation in eine schwierige finanzielle Lage gekommen bin, war nicht nur der Vorstand da, um mir zu helfen, sondern auch viele Mitglieder, die mich immer unterstützt haben und hinter mir gestanden sind. Das hat in mir ein riesiges Gefühl von Freude und Dankbarkeit ausgelöst. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass Menschen, die mich nicht wirklich kennen, sich so sorgsam um mich kümmern. 

 

Ab Mai begann sich die Situation langsam wieder zu normalisieren. Ich konnte wieder ins Refugio und im Juni konnten wir dann auch wieder das Canile in Sciacca besuchen. Diese Besuche sind für uns sehr sehr schwer, da die Hunde dort teils in katastrophalen Zuständen leben und man von unglaublich vielen traurigen Augen durchlöchert wird. Man ist ratlos und hilflos, denn man weiß nicht, welchem Tier man zuerst helfen soll. Zum Glück schafft es die Streunerhilfe immer wieder, Hunde von dort zu befreien und ihnen ein neues Zuhause zu schenken. 

 

Dadurch werden Welpen davor gerettet, durch ein Heranwachsen im Canile traumatisiert zu werden. Schwerkranke Hunde bekommen auf Initiative der Streunerhilfe eine hervorragende Behandlung bei unseren Tierärzten in Menfi. Durch deren Therapie und durch die liebevolle Betreuung durch das Team im Refugio wird eine Milderung der Symptome und manchmal sogar Heilung bewirkt. Alte Hunde bekommen die Chance ein liebevolles Leben außerhalb des Caniles zu erfahren. In all der Arbeit als Volunteer gibt es wirklich viele Momente, die für Menschen, die ein großes Einfühlungsvermögen gegenüber Tieren haben, beinahe unerträglich sind. Man sieht tagtäglich wie Tiere leiden. Jedoch gibt es dann auch die anderen Momente, die uns in unserem Tun so bestärken, dass wir nicht aufhören wollen und können, das zu tun, was wir tun. Diese positiven Momente geben uns weiterhin Kraft, um auch die schweren Situationen zu bewältigen. Für mich sind das vor allem die Momente, in denen man sieht, wie sich der Blick eines Hundes und sein Verhalten ändern, wenn man ihn in eine bessere Situation bringt. 


Im Idealfall können also Hunde aus der schrecklichen Situation im Canile geholt werden, im Refugio dann Heilung und Zuwendung erleben bzw. die entsprechende tiermedizinische Versorgung erhalten. Wenn dann diese Hunde nach ihrer Zeit im Refugio in ihr neues Zuhause kommen, so ist die Arbeit der Streunerhilfe erfolgreich gewesen. So gesehen würde ich dann an diesem Punkt sagen, dass ein Traum in mir in Erfüllung geht, wenn einem Tier ein neues Leben ermöglicht wird, ein Leben, wo der Hund glücklich ist und erfahren kann, was Liebe bedeutet.

 

Meine Schilderung der Erfahrungen in Sizilien wäre nicht vollständig ohne die Erwähnung konkreter Menschen, die im Rahmen des Projektes für mich zu wesentlichen Persönlichkeiten geworden sind. Es sind nicht ein abstrakter Verein oder eine Einrichtung wie das Refugio, die all meine Erlebnisse geprägt haben, sondern es sind Menschen wie Francesca, Evelyn und Elisea, die mich mit ihrem liebevollen Einsatz und ihrem persönlichen Engagement die Welt der Arbeit mit Tieren weiter entdecken ließen und weit über die eigentliche Arbeit hinaus mir zu freundschaftlich verbundenen Weggefährtinnen wurden. Ebenso muss hier eine weitere Kooperationspartnerin erwähnt werden: mit Asia habe ich in dieser Zeit eine tiefe Verbundenheit und gemeinsame Erfahrungen teilen dürfen, die uns gezeigt hat, dass wir in unserem Verständnis von Beziehungen zwischen Tier und Mensch ein sehr ähnliches Bild haben. Das sehr verbindet. Das gesamte Projekt der Streunerhilfe ist nur vorstellbar dank der vernetzenden und umsichtigen Arbeit von Bianca, die mit ihrer Organisation ein grenzüberschreitendes Engagement für in Not geratene Tiere realisiert. Sie ist mir in diesen Monaten entscheidend zur Seite gestanden und hat mir dadurch ermöglicht trotz schwierigster Umstände meinen Einsatz als Volunteer bei der Streunerhilfe zu einem positiv prägenden Erlebnis werden zu lassen. So wurde Bianca für mich zu einem Menschen, mit dem ich wohl ein Leben lang freundschaftlich verbunden bleibe. 

Für alle LeserInnen dieses Berichtes mein Appell: Jede Spende, jede Unterstützung und jede Mitgliedschaft im Verein für das Projekt Streunerhilfe ermöglicht nicht nur solche tiefen Erfahrungen, wie die meine hier geschilderten, sondern ermöglicht die Verbesserung der Lebensbedingungen für in Not geratene Tiere. 

 

Streunerhilfe verbindet! Danke!

 

Maria-quiyen Jenny